Welche Idee steckt hinter BACnet®?
Der Gedanke ist es, Herstellern und Integratoren ein neutrales, standardisiertes und offenes Kommunikationsprotokoll anzubieten, in das sie alle Komponenten der Gebäudeautomation unkompliziert einbinden können. Ausserdem erleichtert es ihnen Migrationen, Anpassungen oder auch das Life-Cycle-Management, da sie nachsehen können, wie das System aufgesetzt worden ist.
Wie genau hat man sich dieses «nachsehen» vorzustellen?
BACnet bildet die Struktur gebäudetechnischer Anlagen ab und bietet die Möglichkeit, deren strukturellen Aufbau einfach zu kontrollieren und zu analysieren. Diese kann der Benutzer ähnlich wie im Windows Explorer öffnen und sehen, welche Informationen zu den einzelnen Geräten hinterlegt sind. Das können bei einer Lüftung beispielsweise Informationen zu den Ansteuerungspunkten sein oder ob diese die Daten für die Temperatur direkt im Raum, der Zuluft oder aber der Abluft erfassen.
Wie wurde vor BACnet ein Gebäude automatisiert?
(lacht) Mit sehr viel mehr Aufwand! Fast jeder Hersteller pflegte sein eigenes Protokoll, was bei der Integration verschiedener Geräte zu einem Mehraufwand führte. Entweder bedurfte es, um diese alle auslesen zu können, diverser Treiber auf dem Leitsystem oder Gateways, um die Protokolle zu vereinheitlichen. Da sich ausserdem weniger Informationen hinterlegen liessen, konnte auch weniger kontrolliert und analysiert werden.
Wer oder was verhalf BACnet® zum Durchbruch?
Das waren die öffentlichen Bauherren, welche Projekte Hersteller-neutral ausschreiben müssen. Daher sind sie auf Schnittstellen angewiesen, die es ermöglichen, Geräte verschiedener Hersteller ohne grossen Aufwand in ein Leitsystem einzubinden. Gibt es eine solche Schnittstelle nicht, muss jedes Gerät eines anderen Herstellers separat ins Leitsystem integriert werden. Daher wird mittlerweile in vielen Ausschreibungen explizit BACnet gefordert. Geräte, die dieses Protokoll nicht unterstützen, kommen daher nicht mehr zum Zuge.
Auf was ist bei der Integration von BACnet-Datenpunkten zu achten?
Die zu integrierenden Geräte müssen über eine entsprechende Zertifikation verfügen, um sicher sein zu können, dass die beschriebenen Funktionalitäten auch gewährleistet sind. Zudem muss deren Datenpunktstruktur gleich wie die des Bestands sein. Ist das nicht der Fall, erschwert das die Integration und die Visualisierung in der Leitebene.
Gibt es etwas, worauf beim Einkauf eines Gerätes geachtet werden kann?
Es gibt normierte Papiere, kurz Pics, in welchen die Hersteller die Funktionalitäten ihrer Geräte beschreiben. Wer auf der sicheren Seite sein möchte, sollte sich jedoch an den Zertifikaten orientieren, weil diese erst nach eingehenden Prüfungen von unabhängigen Labors vergeben werden.
BACnet® definiert keine eigene Übertragungstechnik, sondern baut auf bestehende Standards auf. Was bedeutet das für die Arbeit des Systemintegrators?
Theoretisch müsste er sich nicht mit dem Medium befassen! In der Praxis sieht das aber anders aus. Die Kommunikation wird komplexer, weshalb es ein grundsätzliches Verständnis für die Netzwerktechnik sowie für den Bau von Sub-Netzen braucht. Wenn heute ein Gerät integriert werden soll, wird dieses in aller Regel in ein bestehendes IT-Netzwerk integriert und nicht wie früher in ein paralleles Industrienetzwerk.
Ergo muss der Systemintegrator verstehen, wovon der IT-Fachmann spricht. Tut er das nicht, kommt er mit BACnet oder auch anderen Kommunikationsprotokollen in der Gebäudeautomation nicht weit. Ich begleite derzeit ein Mandat für eine Bauherrschaft, bei der es genau um diese Problematik geht. Der Verantwortliche für die Gebäudeautomation versteht nicht, was der IT-Spezialist möchte und umgekehrt, weshalb ich vermitteln muss.
Haben Sie ein Beispiel für dieses fehlende Verständnis über die andere Seite?
Ein klassischer Interessenskonflikt ist die Lebensdauer der in der Gebäudeautomation eingesetzten Geräte, die im Widerspruch zu den hohen Security-Anforderungen der IT steht. Was das in der Praxis bedeutet, zeigt der 2019 verabschiedete BACnet/SC-Standard mit Verschlüsselung. Bis diesen alle Hersteller implementiert haben, vergehen mindestens noch fünf bis sieben Jahre. Das bedeutet, bis die Verschlüsselung bei den Herstellern flächendeckend ankommt, befasst sich die IT schon längst mit moderneren und sichereren Methoden, um Netzwerke zu schützen.
Lässt sich dieser Interessenkonflikt überhaupt lösen?
Sicherlich, dafür braucht es aber wie gesagt ein Verständnis für die Bedürfnisse der anderen Seite. Der IT beispielsweise muss es klar sein, dass die Gebäudeautomation nicht alle Security-Anforderungen abdecken kann. Umgekehrt muss sich die Operations Technology, kurz OT, bewusst machen, dass die IT-Abteilung ein grundlegendes Security-Interesse hat und beispielsweise bei Netzübergängen/Firewalls nur möglichst wenige Ports und Verbindungen öffnen will.
Ist es überhaupt erforderlich, dass die OT alle Security-Anforderungen abdeckt?
Aus meiner Sicht ist das nicht erforderlich. Die IT verfügt über genügend eigene und sichere Mechanismen, um Security-Zonen einzurichten, in denen sich «alte» Komponenten dennoch sicher innerhalb eines Netzwerks betreiben lassen.