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Themen 27. April 2018
Effiziente Systemintegration durch diensteorientierte Software in der Automation

Schon heute werden terabyteweise Daten auf Schiffen gesammelt. Die Arbeit von Werften und Systemintegratoren wird jedoch durch die allgegenwärtige Anforderung, die Voraussetzungen für das Datensammeln zu schaffen, deutlich erschwert. Sie müssen Systeme verschiedener Hersteller während der Inbetriebnahme in Einklang bringen.
Der zunehmende „Datenhunger“ der mit der fortschreitenden Digitalisierung einhergeht, führt zu einer immer stärkeren Vernetzung und steigert damit auch immer weiter die Komplexität. Mit DIMA (Dezentrale Intelligenz für Modulare Anlagen) hat WAGO ein Konzept zur Effizienzsteigerung in der Verfahrenstechnik entwickelt, das an Land bereits erprobt wurde. Doch lässt sich die Methode auch für die Schifffahrt adaptieren? Und wenn ja, wie könnte das aussehen?

Werften sind heute nahezu gezwungen, Liefertermine bestmöglich einzuhalten. Die Beherrschung komplexer Abläufe und Systeme wird somit zu einer wichtigen Herausforderung. Schon jetzt bestimmen Automation und Software die Komplexität eines Schiffes maßgeblich mit. Die Werft muss hier sehr eng mit dem Lieferanten des übergeordneten Monitoring- und Kontrollsystems zusammenarbeiten. Letztendlich hat dieser Gesamtsystemintegrator eine Schlüsselfunktion während der Inbetriebnahme. Er muss Änderungen sowie den Integrationstest an Bord durchführen. Hier sind Arbeiten teilweise nur nacheinander möglich und die Arbeitsstunden sind in der Regel teurer als in der Werkstatt. Reeder ihrerseits müssen sich heute mehr denn je auf ihr Kerngeschäft, die Abbildung einer weltumspannenden Logistikkette konzentrieren. Benötigen sie dazu Daten von ihren Schiffen, hängen sie eng an dem Integrator der das integrierte Monitoring- und Kontrollsystem des Schiffes liefert. Änderungen in Teilsystemen, wie zum Beispiel des Bunkersystems oder der Boiler führen dazu, dass z. B. der Boilerlieferant an Bord kommen muss. Darüber hinaus muss auch der Integrator die zusätzlichen Variablen oder Messwertbereiche in das übergeordnete System einpflegen.

Besagter Boilerlieferant, als Beispiel für jegliche Teilsystemhersteller, hat dauerhaft einen hohen Abstimmungsaufwand mit vielen Monitoring- und Kontrollsystemherstellern, um eine plausible und normenkonforme Visualisierung der Boilerkreise zu gewährleisten. Im Zweifel erfolgt sogar die Regelung von Teilsystemen auf der Leitebene.

Wie kann DIMA fürs Schiff funktionieren?

In Anbetracht der komplexen Systemlandschaft auf einem Schiff, erscheint es sinnvoll, jedem Mitglied der Wertschöpfungskette die Fokussierung auf seine Kernthemen zu ermöglichen: Der Teilsystemhersteller konstruiert seine Anlage inklusive Automation und Visualisierung. Der Systemintegrator und die Werft fügen die Teilsysteme zusammen. Der Reeder stellt eine Logistikdienstleistung bereit, erhält einen höheren Investitionsschutz für sein Schiff und reduziert seine Abhängigkeit von Schlüssellieferanten. Auf maschinenbaulicher Seite ist dieses Vorgehen bereits Realität. Im Bereich der Elektrotechnik sowie der Softwarekomponenten, sind Schnittstellen allerdings weniger durchgängig genormt und die Teilsysteme sogar auf Leitebene sehr eng miteinander verknüpft. Oftmals werden sie auch zentral automatisiert.
Unter Umsetzung der folgenden Maßnahmen ließe sich das Konzept der dezentralen Intelligenz für modulare Anlagen auch auf dem Schiff implementieren:
Erstens in den Teilsystemen muss eine dezentrale Automation etabliert werden. Zweitens ist eine Software-Schnittstelle mit hohem Abstraktionsgrad zu beschreiben. Hoher Abstraktionsgrad bedeutet in diesem Fall, dass das Teilsystem als ein Dienst angesehen wird. Dienste können u. a. gestartet, gestoppt und parametriert werden. Für das Leitsystem, das damit zur Prozessführungsebene wird, ist es identisch – ganz gleich, ob es die Hauptmaschine, die Boiler oder die Klimaanlage startet. Drittens sind Informationen statt Daten auszutauschen. All dies sollte unter einem normierten Standard, der Herstellerunabhängigkeit bietet, geschehen.
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Zunehmende Komplexität erfordert neue Lösungen

Hierzu hat WAGO zusammen mit der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und der Technischen Universität Dresden das Konzept DIMA für die Verfahrenstechnik erarbeitet. DIMA deckt die genannten Anforderungen ab und mündet derzeit in die VDI/VDE-Richtlinie 2658 und die NAMUR-Empfehlung NE148. Kernstück der Methode ist das Module Type Package (MTP) für Dienste und Informationen. Es beschreibt den Informationsaustausch mittels OPC-UA. Die Diensteorientierung wird durch eine in IEC61512-normierte Statusmaschine gewährleistet. Die Visualisierung wird im Teilsystem mittels AutomationML (Markup Language) beschrieben und ist somit funktional identisch in der Vorortbedienung wie im Maschinenkontrollraum oder auf der Brücke. Lediglich die Darstellung folgt dem Design des jeweiligen Herstellers.

Versuche an einer Modellanlage der Verfahrenstechnik zeigten, dass eine Inbetriebnahme der Anlage innerhalb von 2:30 min möglich ist. Bei herkömmlichen Inbetriebnahmen wären hier ansonsten zunächst mehrere Arbeitstage in die Anpassung des Leitsystems geflossen. Die positiven Erfahrungen in der Verfahrenstechnik und die breite Herstellerunterstützung im Bereich der Automation, führen zu der Annahme, dass die Vorteile einer diensteorientierten Software in der Automation auch zu Effizienzsteigerungen im Schiffbau führen können.

Autor: Dipl. Wirtsch.-Ing. (TU) Norman Südekum, Leiter Branchenmanagement Schiffstechnik bei Wago Kontakttechnik GmbH & Co.KG

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