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Digitale Energiewende mit Hightechsteuerung

Der Ausbau der erneuerbaren Energien gelingt nur, wenn die schwankende Einspeisung aus Solar- und Windenergie mit flexiblen Stromverbrauchern und Speichern ausgeglichen wird. Digitale Technik kann helfen, das Problem zu lösen: Intelligente Systeme verwandeln das analoge Stromnetz in ein kommunikatives Smart Grid und ebnen den Weg für virtuelle Kraftwerke, die Erzeuger und Verbraucher miteinander vernetzen.

Der Windenergie geht es an den Kragen. Obwohl Windturbinen in Deutschland langfristig den Löwenanteil zur Stromversorgung stemmen sollen, will die Bundesregierung den Neubau in Norddeutschland deutlich bremsen. Ab 2017 sollen in Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und dem nördlichen Niedersachsen pro Jahr nur noch maximal 902 Megawatt Windleistung neu entstehen – nicht einmal sechzig Prozent der Leistung, die dort zuletzt installiert wurde. Denn die Stromleitungen stoßen in den stürmischen Küstenregionen an ihre Kapazitätsgrenze: Immer häufiger müssen Windräder im Rahmen des sogenannten Einspeisemanagements abgeschaltet werden, weil der viele Ökostrom die Netzstabilität gefährden würde.

Die Energiewende wird digital - so unterstützt Sie WAGO:

  • WAGO-Controller sorgen für eine sichere Kommunikation und Steuerung.
  • Der neue Kommunikationsstandard VHPready erleichtert das Zusammenspiel dezentraler Anlagen.
  • Datenverschlüsselung und speziell gesicherte Verbindungen schützen vor unautorisierten Zugriffen.

Gespeicherte Energie gegen Netzschwankungen

Die schwierige Frage ist: Wie lässt sich die Energiewende-Bremse wieder lösen? Neue Stromleitungen sollen den Windstrom von der Nordseeküste in den Süden abtransportieren, doch der Netzausbau hakt, weil das Verlegen der Erdkabel länger dauert als geplant. Eine weitere Herausforderung ist, der witterungsbeding schwankenden Ökostromproduktion Herr zu werden. Solaranlagen und Windturbinen liefern hierzulande bereits ein Drittel des benötigten Stroms – dieser Anteil soll bis 2050 auf 100 Prozent steigen. Aus Sicht der Experten werden hierfür dringend technische Anpassungen und neue Geschäftsmodelle zur Vermarktung der Energie aus regenerativen Quellen nötig sein. „Wir setzen auf eine Erzeugungsart, die fluktuiert, dezentral verteilt und sehr kleinteilig ist. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die Infrastruktur, das Netz, die Steuerung und die Flexibilitäten, die bisher in steuerbaren Kraftwerken liegen“, sagt Tobias Kurth von der Firma Energy Brainpool, Energiemarktexperten aus Berlin.

Die Industrie steht damit vor einer Mammutaufgabe: Sie muss Lösungen entwickeln, die das Stromnetz auch bei zunehmender Ökostromproduktion stabil bei einer Frequenz von 50 Hz halten. Hierfür kommen unter anderem Batteriespeicher in Frage, die Stromüberschüsse schnell aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben können. Werden sie etwa am Fuße großer Windparks installiert, ließe sich die gespeicherte Energie als Regelenergie zum Ausgleich kurzfristiger Schwankungen im Stromnetz nutzen – die zwangsweise Abschaltung von Windturbinen würde so vermieden. Auch die Kombination der Batterien mit Photovoltaikanlagen macht Sinn. Werden Solarspeicher an Ladestationen gekoppelt, können Stromtankstellen rund um die Uhr Sonnenenergie für Elektroautos bereitstellen. Oder die Akkus kommen im Privathausbereich als Kellerspeicher zum Einsatz. Diese können den Eigenverbrauch der Haushalte steigern und gleichzeitig netzbelastende solare Mittagsspitzen kappen.

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Die Digitalisierung der Energiewende ist die Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt einen dezentralen Energiemarkt handhaben können.

Tobias Kurth, Energy Brainpool

Aus Strom wird Wärme und Sprit

Power-to-Heat- und Power-to-Gas-Anlagen bieten eine weitere Flexibilitätsoption. Sie wandeln Ökostrom mittels Elektrokessel in Wärme oder per Elektrolyse in Wasserstoff und anschließend in Methan um. Die Wärme kann in das lokale Fernwärmenetz eingespeist werden, die Gase lassen sich über längere Zeit im bestehenden Erdgasnetz speichern, das Haushalte, Kraftwerke und Tankstellen versorgt. Somit entlasten Power-to-Heat und Power-to-Gas nichtnur das Stromnetz, sondern binden auch die Sektoren Wärme und Mobilität ein, die bei der Energiewende bisher nur eine untergeordnete Rolle spielen. „Wir könnten Norddeutschland zu einem gigantischen Testlabor für die Sektorkopplung machen: Gaserzeugung oder Heizen mit Windstromüberschüssen, lokale Förderprogramme für Wärmepumpen oder Elektroautos, Teststrecken für Elektrolastwagen mit Oberleitungen und Elektrobuslinien – das wären nur einige der Möglichkeiten. Dann könnte auch der schnelle Windenergieausbau weitergehen“, sagt der Berliner Energieprofessor Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Doch die Entwicklung von Flexibilitätsoptionen wie Speichern ist nicht die einzige Herausforderung. Diese müssen auch mit den dezentralen Erzeugern und Verbrauchern vernetzt werden. Die Energie stammt in einem von Solaranlagen und Windturbinen dominierten System aus Tausenden Anlagen und fließt in vielen Kombinationen in viele verschiedene Richtungen, vergleichbar mit Daten im Internet. Daher sind intelligente, digitale Systeme nötig, die die komplexen Energieflüsse messen und die Anlagen je nach Netzsituation regeln und steuern. Und die Systeme müssen eine absolut sichere Kommunikation der Anlagen mit der Leittechnik ermöglicht, denn Hackerangriffe auf Kraftwerke und das Netz sind keine Seltenheit und können die Versorgungssicherheit gefährden. „Die Digitalisierung der Energiewende ist die Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt einen dezentralen Energiemarkt handhaben können“, sagt Kurth.

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Vom Feld in den Tank: Überschüssiger Sonnenstrom könnte im großen Stil als "Sprit" für Elektromobile genutzt werden.

Virtuelle Kraftwerke entlasten das Stromnetz

Die gute Nachricht: Mehr als zwei Drittel der Energieversorgungsunternehmen weisen dezentralen Energielösungen eine hohe Relevanz zu und sehen die Digitalisierung als Hebel, um ihre Prozesseffizienz zu verbessern, so das Ergebnis der aktuellen Studie „Deutschlands Energieversorger werden digital“ des Beratungsunternehmens pwc. Möglichkeiten der Digitalisierung bieten sich entlang der gesamten Energie-Wertschöpfungskette. Flexible Stromtarife, die sich nach der Verfügbarkeit des Ökostroms richten, sind ein Ansatz, vor allem für Gewerbe- und Industriekunden: Produzieren Solaranlagen und Windräder viel Energie, bieten Versorger den Strom besonders günstig an. So werden Kunden animiert, ihren Verbrauch an die fluktuierende Erzeugung anzupassen. Und das ist nur der erste Schritt: „Immer mehr Haushalte produzieren ihren Strom mit kleinen Blockheizkraftwerken und Solarmodulen selbst – sie werden von Consumern zu Prosumern, die Energie nicht nur verbrauchen, sondern auch bereitstellen können“, sagt Kurth.

Werden diese Haushalte miteinander vernetzt, können Angebot und Nachfrage unter sich austarieren. Virtuelle Kraftwerke gehen in die gleiche Richtung. Sie kombinieren dezentrale Erzeuger wie Biogas- und Solaranlagen, Windturbinen, BHKW, Wärmepumpen, Notstromaggregate und Speicher mit intelligenter Steuerungstechnik zu einem flexibel regelbaren Verbund. Um Schwankungen im übergeordneten Übertragungsnetz auszugleichen, beschaffen sich die Netzbetreiber Regelenergie bei registrierten Anbietern. Einige Unternehmen bieten diese Leistung bereits aus virtuellen Kraftwerken an. Die Stadtwerke-Kooperation Trianel etwa bündelt in ihrem Regelenergiepool Erzeugungs- und Speichertechniken mit mehr als 700 Megawatt Gesamtleistung. In der Praxis werden Biogasanlagen, Speicher und Co. des virtuellen Trianel-Kraftwerks wie gewohnt betrieben. Ruft der Netzbetreiber Regelleistung ab, wählt ein Algorithmus im Leitsystem die passenden Anlagen aus und regelt sie aus der Leitstelle. Der Vorteil des Trianel-Kraftwerks: Es umfasst 400 Einzelanlagen und verfügt somit über ein hohes Maß an Flexibilität. Daher kann es kurzfristige Schwankungen besonders gut abfedern.

Komplexe Energieflüsse einfach managen

Auch intelligente Ortnetzstationen (iONS) können bei der Digitalisierung des Netzes eine wichtige Rolle spielen. Bisherige Transformatoren sind eher passive Elemente, die die elektrische Spannung aus dem Mittelspannungsnetz in einem festen Verhältnis auf die im Ortsnetz verwendete niedrigere Spannung reduziert. Eine iON hingegen ermöglicht die Erfassung verschiedener Messdaten im Mittelspannungsnetz und bietet die Möglichkeit, die Werte aus der Ferne auszulesen. Dadurch kann der Netzbetreiber das Spannungsniveau jederzeit anpassen. Wird etwa an hellen Tagen viel Solarstrom eingespeist und steigt dadurch die Spannung, lässt sich mit einer iON schnell dagegen steuern – so steigt die Aufnahmekapazität des Netzes und Engpässe, die den Erneuerbaren-Ausbau letztlich bremsen, werden vermieden. WAGO kann mit seinen Entwicklungen helfen, die Digitalisierung der Energieversorgung voranzutreiben. Um gängige Ortnetzstationen in iONS umzurüsten, ist die betriebssichere, normenkonforme Abstimmung der Komponenten der Primär- und Sekundärtechnik elementar.

Gemeinsam mit Projektpartnern hat WAGO eine entsprechende Anlage bereits realisiert und diese mit der kompletten Automatisierungstechnik ausgestattet: der Steuerung PFC200 XTR auf der Mittelspannungsseite sowie die Steuerung PFC200 aufseiten der Niederspannung, dem Panel e!DISPLAY zur Visualisierung der Mess- und Steuerungsdaten direkt an der Ortsnetzstation selbst sowie die komplette Anschlusstechnik. Die mit CoDeSys frei programmierbaren Steuerungen von WAGO sammeln über digitale und analoge Signale sowie beispielsweise über MODBUS RTU alle Daten der unterschiedlichen Systeme der Station ein, übersetzen sie in die vom Versorger benötigten Kommunikationsprotokolle, wie beispielsweise IEC 60870-5-101/ -104 oder IEC 61850, und schicken sie über eine Datenleitung zur Leitwarte. In der entgegengesetzten Richtung kann von der Leitwarte über die Controller auf die Systeme der Station, wie die Mittelspannungsschaltanlage, Schutzgeräte oder die Messsysteme verschiedener Hersteller, zugegriffen werden.

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Kleines Häuschen, großer Nutzen: Die intelligente Ortnetzstation (iONS) ist eine wirkungsvolle Alternative zum Netzausbau.

Vor Hackern geschützt

Vor unautorisierten Zugriffen wird der Datenfluss dabei über die WAGO-Controller geschützt – zum einen durch die Verschlüsselung der Daten mittels TLS1.2, zum anderen durch speziell gesicherte Verbindungen, wie IPsec oder OpenVPN gemäß BDEW-White-Paper. Auch in virtuellen Kraftwerken ermöglicht WAGO-Technik eine sichere Kommunikation und Steuerung. Die zu einem solchen Kraftwerk zusammengeschlossenen Erzeuger und Verbraucher sprechen unterschiedliche Sprachen und können daher kaum miteinander kommunizieren. Der neue offene Kommunikationsstandard VHPready (Virtual Heat and Power Ready) kann das ändern. Dieser sorgt wie ein Dolmetscher dafür, dass sich Leitwarte und dezentrale Anlagen verstehen. Anstatt wie bisher über ein anlagenspezifisches Set an Variablen wird mit VHPready über vordefinierte Profile mit einheitlichen Datenpunktsystemen kommuniziert. Neben der Kommunikation werden durch VHPready auch domainspezifische Festlegungen wie Vorgaben zum Betriebsverhalten und zu Reaktionszeiten definiert. Dadurch ergibt sich Möglichkeit, Anlagen über Fahrpläne zu steuern. Damit kann die Leitwarte eines Kraftwerks Steuerungsparameter für einen Zeitraum von 24 Stunden zur Anlage übertragen. Ohne Digitalisierung kann die Energiewende nicht gelingen – Intelligente Steuerungssysteme werden damit zu Schlüsseltechnik auf dem Energiemarkt.

Text: Heiko Tautor

Foto: Manfred H. Vogel | vor-ort-foto.de, iStockphoto.com

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