Referenz 27. August 2021
E-Bus-Ladestation: Second-Life-Batterien wird neues Leben eingehaucht

Eine E-Bus-Ladestation, deren Energie sich unter anderem aus der Bremsenergie von Straßenbahnen speist – das hat das Ingenieurbüro Fehringer aus Dortmund für den Energieversorger RheinEnergie AG und die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB AG) umgesetzt. Dreh- und Angelpunkt: ein durchdachtes Batterie- und Energiemanagementsystem für ausgemusterte Autobatterien – perfekt ausbalanciert und vielfältig vernetzt mit WAGO Automatisierungstechnik.

Seit Ende Dezember 2020 steht die fertige E-Bus-Ladestation mit einer Ladeleistung von bis zu 500 kW in Köln-Bocklemünd; die finale Inbetriebnahme ist im April 2021 abgeschlossen worden. Sie ist das praxistaugliche Ergebnis eines Forschungsprojekts, das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und dem Projektträger Jülich (PTJ) gefördert worden ist. Äußerlich ähnelt die E-Bus-Ladestation einem gewaltigen Betonklotz, ihr Inneres zeugt jedoch von ingenieurwissenschaftlichem Know-how und einer ordentlichen Portion Innovationsgeist, die den Nahverkehr in öffentlichen Verkehrsnetzen per Bus elektrifiziert – und zwar nachhaltig. Denn erstens wird der dafür notwendige Strom durch freiwerdende Bremsenergie von Straßenbahnen erzeugt, die ansonsten verloren ginge. Und zweitens besteht der Energiespeicher in der E-Bus-Ladestation aus Second-Life-Batterien.

Energie- und Batteriemanagementsysteme – mit WAGO Automatisierungstechnik als Datendrehscheibe:

  • Etablierte, modulare Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) mit offener und einfacher Linux®-Programmierbarkeit

  • Vielzahl von adaptierbaren Schnittstellen zur Visualisierung, Analyse und Verarbeitung der Datenflüsse

  • Dezentrale, nutzerfreundliche Visualisierung auf dem WAGO Controller beispielsweise in HTML5 oder Grafana

Jede einzelne Batterie hat ihre eigene Geschichte, ihren eigenen Charakter. Das erschwert den Zusammenschluss zu einem stabilen Energiespeicher.

Nicolaj Fehringer, geschäftsführender Geselleschafter des Ingenieurbüros Fehringer

Vom Sondermüll zum Zwischenspeicher

Bei den eingesetzten Second-Life-Batterien handelt es sich um ausgemusterte E-Auto-Batterien der Ford Werke GmbH. Jede für sich ist mittlerweile zu schwach, um als Antriebsbatterie eines E-Autos zu dienen. Sie sind aber noch kraftvoll genug, um sie im Zusammenschluss als Zwischenspeicher zu nutzen. „Wir hauchen diesen Batterien wieder neues Leben ein“, bringt es Nicolaj Fehringer, geschäftsführender Geselleschafter des Ingenieurbüros Fehringer, auf den Punkt. „Andernfalls hätten diese Batterien als umweltbelastender Sondermüll geendet, obwohl sie noch bis zu 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität aufweisen.“

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Im April 2021 ist die E-Bus-Ladestation mit einer Ladeleistung von bis zu 500 kW in Köln-Bocklemünd in Betrieb genommen worden.

Foto: Holger Jacoby/vor-ort-foto.de

288 Second-Life-Batterien werden zu einem Energiespeicher

Die Krux: Jede einzelne Batterie hat ihre „eigene Geschichte, ihren eigenen Charakter“. Das erschwert den Zusammenschluss der in Reihe geschalteten Second-Life-Batterien zu einem stabilen Energiespeicher als E-Bus-Ladestation. Die Lösung: „Das von uns entwickelte Batteriemanagementsystem bringt diese Batterien auf ein gemeinsames Spannungslevel. Dafür wird jede einzelne Batteriespannung gemessen und ausbalanciert“, erklärt Nicolaj Fehringer. Das klingt einfacher als es ist. Denn hinter dieser Technik musste ein eigenes Batteriemanagementsystem entwickelt werden, das speziell für das genannte Konzept mit den Second-Life-Batterien zugeschnitten ist. Das dafür ebenso neu entwickelte, übergeordnete Energiemanagementsystem sorgt für das funktionale Zusammenspiel aller technischen Komponenten.

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Bei den insgesamt 288 eingesetzten Second-Life-Batterien handelt es sich um ausgemusterte E-Auto-Batterien der Ford Werke GmbH, die im Zusammenschluss als Zwischenspeicher genutzt werden.

Foto: Holger Jacoby/vor-ort-foto.de

Die offene und einfache Linux®-Programmierbarkeit hat den Ausschlag gegeben, WAGO Technik für die Kommunikation und Regelung zu nutzen.

Nicolaj Fehringer, geschäftsführender Geselleschafter des Ingenieurbüros Fehringer

Offene und einfache Linux®-Programmierbarkeit

Das Ausbalancieren der Energieträger ist eine wichtige Schlüsselkomponente. Die dafür notwendigen Algorithmen hat ein 8-köpfiges Team des Ingenieurbüros Fehringer in eineinhalb Jahren aufwändiger Entwicklungsarbeit programmiert – auf in Linux® speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) von WAGO. „Genau diese offene und einfache Linux®-Programmierbarkeit hat den Ausschlag gegeben, WAGO Technik für die Kommunikation und Regelung zu nutzen“, sagt Nicolaj Fehringer. Sie sei wichtig, „um unser auf Linux® basierendes Datenbanksystem an den Energiespeicher anzubinden“.

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Mit dem WAGO PFC200 werden die Energiedatenflüsse des Energiespeichers der E-Bus-Ladestation dirigiert.

Foto: Holger Jacoby/vor-ort-foto.de

WAGO PFC200 – flexibler Dirigent für komplexe Automatisierungsaufgaben

Unter dem Motto „open and easy“ lassen sich mit dem PFC200, der speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) von WAGO, nicht nur komplexe Algorithmen und Schnittstellen in klassischer IEC-61131-Programmierung umsetzen, sondern beispielsweise auch mit offenen Programmiersprachen wie C++, Python oder NodeRed arbeiten oder Funktionen einfach via Docker® implementieren. Mit dem WAGO PFC200 werden die Energiedatenflüsse des Energiespeichers der E-Bus-Ladestation dirigiert. „Wir können damit eine Vielzahl von Schnittstellen adaptieren und die daraus resultierenden Datenflüsse visualisieren, analysieren und verarbeiten.“ Somit entsteht eine Datendrehscheibe, die komplexe Systeme mit einer seit über zwanzig Jahren etablierten Industrie-Hardwareplattform vernetzt. Abgerundet wird das Ganze durch die Möglichkeit, diese Prozesse nutzerfreundlich beispielsweise in HTML5 oder Grafana dezentral auf dem PFC-Controller zu visualisieren. „Genau diese gesammelten und aufbereiteten Daten werden uns helfen, das Laden der Busse über das 10kV-Netz bzw. das Batterie- und Energiemanagementsystem noch weiter zu optimieren – je nach Anforderung und Verfügbarkeit.“

Daniel Wiese, Global Key Account Manager Smart Grid bei WAGO, erklärt: „Mit dem WAGO PFC200 lassen nicht nur komplexe Algorithmen und Schnittstellen in klassischer IEC-61131-Programmierung umsetzen, sondern beispielsweise auch mit offenen Programmiersprachen wie C++, Python oder NodeRed arbeiten oder Funktionen einfach via Docker® implementieren.“

Foto: Holger Jacoby/vor-ort-foto.de

Diese multimodale E-Bus-Ladestation zeugt von nachhaltigem Innovationsgeist.

Jeff Witting, RheinEnergie AG.

Ein Leuchtturmprojekt für mehr Nachhaltigkeit

In diesem komplexen System muss der Strom zweimal gewandelt werden: von Gleichstrom (DC) der Bremsenergie in Wechselstrom (AC) der Batteriespeicher, um im Ladepunkt wieder den Gleichstrom (DC) bereitzustellen, mit dem die E-Busse Strom auftanken können. „Dennoch bleibt der Wirkungsgrad der Elektromobilität größer als der von benzinbetriebenen Fahrzeugen“, ist Nicolaj Fehringer überzeugt. Hinzu kommt, dass mit der genutzten Bremsenergie eine bisher verschwendete Energiequelle nutzbar gemacht wird und ausgemusterte E-Auto-Batterien ein zweites Leben erhalten. Diese E-Bus-Ladestation mit ihrem innovativen Batterie- und Energiemanagementsystem sei daher ein „Leuchtturmprojekt“, das die Negativaspekte der E-Mobilität reduziere und die Energiebilanz hin zu mehr Nachhaltigkeit verbessere. Genau das bestätigt auch Jeff Witting vom Auftraggeber RheinEnergie AG: „Wir sind begeistert. Diese multimodale E-Bus-Ladestation zeugt von nachhaltigem Innovationsgeist. Das Konzept ist einmalig in Deutschland und glänzt durch Forschung, Innovation, technischem Know-how und der unter Hochdruck angestrebten Nachhaltigkeit für die Energiewirtschaft.“

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Der für die E-Bus-Ladestation notwendige Strom wird unter anderem durch freiwerdende Bremsenergie von Straßenbahnen erzeugt, die ansonsten verloren ginge.

Foto: Holger Jacoby/vor-ort-foto.de

Das Konzept der E-Bus-Ladestation in Bildern

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