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Referenz 16. Dezember 2022
Blick in die Zukunft

Mithilfe eines selbst entwickelten, prädikativen Analytics-Systems hat WAGO den Wartungsaufwand in seiner Gehäusefertigung deutlich reduziert. Auch bei der Früherkennung von Fehlern und der Optimierung von Prozessen leistet das System wertvolle Dienste. WAGO stellt seine Analytics-Lösungen auch anderen Unternehmen zur Verfügung.

Produkte von WAGO sind überall auf der Welt im Einsatz, in der Wüste genauso wie in der Tundra; in Fabriken oder auf Schiffen, in Schienen- oder Stromnetzen. Dabei müssen sie mitunter viel aushalten: Staub, Schmutz und Stöße genauso wie brennende Sonne, eiskalter Wind oder tropische Schwüle. Schutz vor der rauen Umgebung bieten maßgeschneiderte Gehäuse, die WAGO – ebenso wie viele andere Kunststoff-Komponenten – oft selbst fertigt.

Als Ausgangsmaterial für die Gehäuse dienen diverse Kunststoff-Granulate, die durch ein Röhrensystem zu den Spritzgussmaschinen transportiert werden. Das geschieht mithilfe von Vakuumpumpen, die einen Unterdruck herstellen. Wie die gute alte Rohrpost befördern die Pumpen die unterschiedlichen Granulate dorthin, wo sie gerade gebraucht werden. Dabei führt der Luftstrom zwangsläufig aber auch etwas Staub mit sich. Um zu verhindern, dass dieser die Pumpen beschädigt, sind in den Abluftröhren Filter installiert.

Diese Filter müssen immer wieder sorgfältig gereinigt werden, da sonst die Förderleistung leidet. „Das ist wie bei einem Staubsauger: Je voller der Filter ist, desto schlechter die Performance und Effizienz“, erläutert Sebastian Pscheidt, Technical Engineer im Bereich Injection Molding Technology bei WAGO. Im ungünstigsten Fall könnte es geschehen, dass das Rohr nicht vollständig geleert ist, wenn ein anderes Granulat befördert wird, so dass sich die beiden Materialien mischen. Die WAGO-Mitarbeiter haben das bislang verhindert, indem sie die Filter in fixen Intervallen reinigen. Oft wäre dies aber gar nicht notwendig gewesen, weil die Filter noch ausreichend Luft durchlassen – ärgerlich, denn die Reinigung verursacht Aufwand, Mühe und Kosten. Zudem muss die Materialverteilungsanlage in dieser Zeit abgeschaltet werden, was zu einer Zwangspause in der Gehäusefertigung führen kann.

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Unsere Predictive-Maintanance-Lösung sorgt dafür, dass wir die Filter jetzt strikt bedarfsgerecht säubern können. Mit einer solchen vorausschauenden Planung verringern wir den Wartungsaufwand erheblich – und erhöhen zugleich die Prozesssicherheit.

Dr. Jan Jenke | Produkt- und Projektmanager Analytics bei WAGO

„So viel Aufwand wie nötig, so wenig wie möglich“

Gute Gründe für WAGO, ein – natürlich mit eigener Technologie realisiertes – Condition-Monitoring-System einzurichten, das eine prädikative Wartung ermöglicht. „So viel Aufwand wie nötig, so wenig wie möglich“, beschreibt Dr. Jan Jenke, Produkt- und Projektmanager Analytics bei WAGO, die Strategie: Die Filter werden nun erst dann gereinigt, wenn zu erwarten ist, dass die Förderleistung unter ein akzeptables Maß absinken wird. Dafür nutzt WAGO vor allem Daten von Sensoren, die vor und hinter dem Filter den Druck messen. Mithilfe ausgefeilter Analytics-Verfahren lassen sich daraus Prognosen zum Fortschreiten der Verschmutzung ableiten. Das System löst dann für den richtigen Moment automatisch einen Wartungsauftrag im SAP-System für die Instandhaltung aus. So ist gewährleistet, dass die Reinigung stets zum optimalen Zeitpunkt erfolgt. „Unsere Predictive-Maintanance-Lösung sorgt dafür, dass wir die Filter jetzt strikt bedarfsgerecht säubern können. Mit einer solchen vorausschauenden Planung verringern wir den Wartungsaufwand erheblich – und erhöhen zugleich die Prozesssicherheit“, fasst Jenke zusammen. Als willkommener Nebeneffekt spart das System zudem Energie ein, da die Filter im Falle einer stärkeren Verschmutzung nun früher gereinigt werden, so dass die Pumpen weniger Leistung aufwenden müssen. Wie hoch die Ersparnis ausfällt, lässt sich nicht pauschal sagen, weil dies von vielen Faktoren abhängt, erklärt Pscheidt. „Aber da unsere Pumpen oft mit mehreren Kilowatt Leistung arbeiten, fällt das durchaus ins Gewicht.“

Fehlererkennung mit Machine-Learning

Die Daten dieser und anderer Sensoren im Materialverteilungssystem nutzt WAGO aber auch noch für weitere Zwecke – unter anderem für die Früherkennung möglicher Fehler im Förderprozess. Zuvor haben die Mitarbeiter hier mit Excel-Listen gearbeitet. Nun übernehmen Machine-Learning-Modelle diese Aufgabe: Sie identifizieren selbsttätig Anomalien in den Daten, bevor es zu größeren Störungen kommt. Damit sinkt der Zeitaufwand für die Fehlersuche um mehr als fünfzig Prozent. „Während wir bei der prädiktiven Wartung in die Zukunft schauen, geht es bei der Fehlererkennung mit Machine Learning darum, Muster in Daten aus Gegenwart und Vergangenheit aufzuspüren“, erläutert Jenke. Dabei ist das System so offen gestaltet, dass sich bei Bedarf weitere Machine-Learning-Modelle ergänzen lassen. Dargestellt werden die Daten über ein Dashboard, mit dem sich auf einen Blick erfassen lässt, wie es um die Prozessqualität bestellt ist. Erkannte Anomalien kennzeichnet das System automatisch. Um maximalen Nutzen aus den Informationen zu ziehen, bietet das Dashboard aber noch zahlreiche weitere Möglichkeiten zur Visualisierung. So können Mitarbeiter über eine nutzerfreundliche Bedienoberfläche mit Live- und historischen Daten beliebiger Zeiträume individuelle Auswertungen und Modellierungen vornehmen. Das schafft Transparenz, etwa was die Auslastung der Anlage betrifft. Vor allem aber lässt sich so gut erkennen, wo Potenziale zur Optimierung bestehen. „Mit den beiden Analytics-Lösungen und dem Dashboard haben wir den Mitarbeitern einen digitalen Werkzeugkoffer in die Hand gegeben, der ihre Arbeit deutlich vereinfacht: Sie bekommen damit ein besseres Verständnis über Ursache-Wirkungs-Beziehungen ihrer Handlungen“, sagt Pscheidt. Zugleich fördert das Dashboard die Zusammenarbeit zwischen den Prozess-, den Automatisierungs- und den Analytics-Experten von WAGO.

„Mit den Analytics-Lösungen und dem Dashboard haben wir den Mitarbeitern einen digitalen Werkzeugkoffer an die Hand gegeben, der ihre Arbeit deutlich vereinfacht: Sie bekommen damit ein besseres Verständnis über Ursache-Wirkungs-Beziehungen ihrer Handlungen“

Sebastian Pscheidt | Technical Engineer Injection Molding Technology bei WAGO

Flexibilität bei der Infrastruktur

Datenerfassung und -austausch erfolgen über ein I/O-System der 750er-Serie von WAGO mit mehreren Modulen, unter anderem digitalen Ein- und Ausgangsmodulen, Analogausgängen, Mess- und Reihenklemmen. „Das Steck- und Verbindungskonzept zeichnet sich dadurch aus, dass es sehr einfach zu handhaben ist. Dabei gewährleistet es eine herausragende Verfügbarkeit des Systems“, erklärt Pscheidt. Die Analyse der Daten erfolgt dann auf einem lokal installierten Edge Computer von WAGO. Alternativ wäre es aber auch möglich, dies in einer Cloud zu tun, auf vorhandener IT-Infrastruktur – oder aber auch direkt auf dem WAGO Controller. Dessen Linux®-Betriebssystem erlaubt das Einrichten individueller Docker-Container, die Analytics-Funktionalitäten auf das Produkt bringen.

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Analytics auch für Kunden

Analytics-Systeme dieser Art entwickelt WAGO aber nicht nur für eigene Zwecke – das Unternehmen stellt sein Know-how und seine Technologie auch anderen zur Verfügung. So liefert WAGO seinen Kunden individuelle Analyselösungen, mit denen sich etwa Prozesse durchleuchten, Schwachstellen identifizieren oder Ansatzpunkte für Optimierungen erkennen lassen. Unternehmen verschiedener Branchen können damit zum Beispiel die Gründe für ungewöhnliche Betriebszustände ihrer Anlagen und Maschinen ermitteln, Einflüsse auf Produktqualität und Prozessstabilität ausmachen oder die Maschinenparametrierung verbessern. „Mit unserer Analytics-Kompetenz helfen wir unseren Kunden dabei, mehr Transparenz in ihre Prozesse zu bringen“, so Jenke. „Das stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig!“

Text: Ralph Diermann – Energiejournalist

Fotos: Tremonia